Susanne Beckmann – Ich besiegte meinen Waschzwang – Innenansicht einer Therapie – Patmos Verlag – Rezension
Susanne Beckmann gibt der Leser:in mit dieser sehr persönlichen Veröffentlichung die Möglichkeit, ein besseres Verständnis von einem Leben mit einer Zwangsstörung zu bekommen. Sehr offen schildert die Autorin verschieden Situationen aus ihrem Alltag in Verbindung mit den daraus resultierenden Konsequenzen im Rahmen ihrer Zwangsstörung und stellt diesen gleichzeitig ihre eigene Reflexion hierüber gegenüber. Es wird deutlich, wie erschöpfend die Aufrechterhaltung ihres Waschzwangs für sie ist und wie sich ihr Handlungsspielraum mehr und mehr verkleinert. So kann sie beispielsweise nicht mehr die Sonne draußen genießen, weil ein Verlassen und Wiederkommen in die Wohnung darin resultieren, dass Kleidung gewechselt werden muss und je nach Gedanke, wie verseucht sie sei, 6-8h geduscht werden muss. Einkaufen, Freunde zu Besuch, Arbeiten gehen, am Müllwagen mit dem Auto vorbeifahren.., all das ist nur bedingt oder gar nicht möglich, weil es in Frau Beckmann die Vorstellung hervorruft, dass sie verseucht ist und dies entsprechend neutralisieren muss. Der Waschzwang steht komplett im Mittelpunkt der Lebensgestaltung und obwohl dieser die Autorin bis zur Erschöpfung treibt, kann sie mit ihren Ritualen nicht aufhören. Im Endeffekt ist alles darauf ausgerichtet, ob der Zwang die gewünschten Aktivitäten zulässt oder nicht; es scheint sich für die Betroffene so anzufühlen, als hätte sie keine Kontrolle oder Änderungsmöglichkeit und gleichzeitig bildet Ausüben des Zwangsrituals, welches der Entlastung dienen soll, eine neue Belastung. Frau Beckmann stellt sehr anschaulich die Schwierigkeiten im Alltag dar,sowie die immense Herausforderung durch das Gefühl der Machtlosigkeit gegen den Zwang, sich für eine Therapie zu entscheiden. Die Entscheidung trifft sie erst, als ihr Freund ihr durch eine Bemerkung die Augen öffnet, wie weit es mit ihrem Zwang schon ist und auch Frau Beckmann erkennt, dass es kaum noch eine Möglichkeit gibt, so weiterzuleben.
Insgesamt wird sehr gut die Verfahrenheit der Situation deutlich und die Zwangsstörung als in sich komplexes Störungsbild verständlicher.
Mich hat es stark beeindruckt, da die Kriterien, die ich als Therapeutin aus meiner Ausbildung von einer Zwangsstörung her kennengelernt habe, hier in den Alltagskontext eingebunden werden und so eine lebendigere Vorstellung von der Belastung und dem Ausmaß der Störung bilden.
Frau Beckmann bindet die therapeutische Facette mit ein, indem sie ihre Klinikaufenthalte beschreibt und am Ende des Buches auch nochmal eine schöne Abschlussreflexion gibt, die die wichtigen Punkte der Therapie herausstellt. Die Autorin nimmt die Leser:in mit bei ihren Fortschritten, die sie durch ihre Expositionsübungen macht und kann hierbei ihre Ängste und Sorgen sehr plastisch beschreiben. Auch das komplexe Gedankensystem, welches sich im Rahmen der Zwangsstörung bildet, kann hier sehr gut herausgearbeitet werden.
Als Leserin und Therapeutin wird mir bewusst, wie herausfordernd die Behandlung einer Zwangsstörung für eine/n Betroffene/n sein muss, da sich dieses Zwangssystem so abhängig in sich ausbildet, dass zur Bekämpfung des Zwangs extreme Willensstärke und Durchhaltevermögen notwendig sind. Gerade für eine Therapeutin, die nicht mit Zwangsstörungen arbeitet, ist dies Buch sehr aufschlussreich und eine Empfehlung an diejenigen, die sich diesem Thema einmal nähern möchten.