Narzissmus – Grundlagen, Störungsbilder, Therapie – Doering, Hartmann und Kernberg – Schattauer Verlag – Rezension

Das beste und mit 800 Seiten umfassendste Fachbuch aus dem Schattauer Verlag (2. Auflage, 2021) zum Thema Narzissmus, das ich kenne! Es vermittelt umfangreiches und detailliertes Wissen über Narzissmus und narzisstische Störungen auf Grundlage der aktuellen Forschung. Gleichzeitig ist es thematisch sehr breit gefächert, wobei über sehr viele Aspekte aus unterschiedlichen Therapieschulen und verschiedenen Blickwinkeln referiert wird. Das Thema Narzissmus wird in all seinen Facetten sehr ausführlich und differenziert behandelt, beginnend mit Ovids Geschichte von Narziss aus der griechischen Mythologie bis hin zur Ätiologie und Neurobiologie narzisstischer Störungen sowie deren unterschiedlichsten Therapieoptionen. Dabei liegt der theoretische Schwerpunkt hinsichtlich der Ätiologie des pathologischen Narzissmus in der psychoanalytischen Theorie, was jedoch nicht verwundert, sind doch alle drei Herausgeber des Lehrbuches Psychoanalytiker.

Zu den Herausgebern des Lehrbuches gehört kein geringerer als Otto Kernberg, die Koryphäe auf dem Gebiet der Psychoanalyse und nach Eva Jaeggi (in Psychologie heute) „der kompetenteste Spezialist für schwere Persönlichkeitsstörungen“.

Das Buch beginnt mit der Beleuchtung der griechischen Mythologie des Narziss und seiner Rezeptions- und Wirkungsgeschichte im ersten Kapitel „Konzeptualisierungen des Narzissmus“. Daran schließt sich, wie sollte es auch anders sein, Freuds Narzissmus-Theorie und die Theorie und Pathologie des Narzissmus und der narzisstischen Persönlichkeitsstörung an.

Die weiteren Kapitel nehmen Bezug auf den Stand der aktuellen Forschung und behandeln eingehend die Ätiologie und Neurobiologie, Epidemiologie, Klassifikation, Diagnostik sowie die Klinik der narzisstischen Störungen. Des Weiteren werden auch Gemeinsamkeiten zwischen narzisstischer und  selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung sowie die differentialdiagnostische Abgrenzung zur antisozialen Persönlichkeits- und Borderline-Störung umfassend beleuchtet.

Anschließend wird im 5. Kapitel über die Beziehungsgestaltung bei Menschen mit narzisstischen Störungen referiert, während man im 6. Kapitel über den kulturellen Kontext des Narzissmus elaboriert.

Eine Bereicherung dieses Lehrbuches stellen zudem die zahlreichen Fallbeispiele dar, welche vor allem in den Kapiteln 4 (Klinik narzisstischer Störungen) und 5 (narzisstische Beziehungsgestaltung) mehrfach zu finden sind. Sie bieten praktische Einblicke und dienen der Veranschaulichung der klinischen Symptomatik und der charakteristischen Beziehungsmuster der Patienten mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung.

Das letzte Kapitel des Lehrbuches befasst sich mit den Therapiemöglichkeiten bei narzisstischen Störungen. Zu Beginn dieses Kapitels findet man Ausführungen zur Übertragung und Gegenübertragung in der Behandlung von Patienten mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung, was natürlich in einem Lehrbuch mit eher tiefenpsychologischem Schwerpunkt nicht fehlen darf.

Im Anschluss werden Behandlungsmöglichkeiten unterschiedlichster Therapieschulen bzw. verschiedenster Ansätze vorgestellt. Vertreten sind neben psychoanalytischen Methoden Therapieoptionen aus der verhaltenstherapeutischen Ecke, wie die Schematherapie und weiterhin die sogenannte integrative mentalisierungsbasierte Therapieform, die, basierend auf Erkenntnissen der Psychoanalyse, der Entwicklungspsychologie und der Bindungstheorie, speziell für komplexe und schwere Persönlichkeitsstörungen entwickelt wurde. 

Ferner wird eine spezielle Form einer Therapiemethode vorgestellt, die man eher von der Behandlung chronischer Depressionen her kennt: CBASP (Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy), welche zur Behandlung von narzisstischen Störungen mit Interventionen der Schematherapie kombiniert wurde und  CBASPersonalized für Narzissmus (kurz CPN) genannt wird.

Ich kann dieses Lehrbuch auf jeden Fall sehr empfehlen, sodass mir abschließend nichts anderes übrig bleibt, es getrost als die „Narzissmus-Bibel“ zu bezeichnen.