E. Heinemann, U.Rauchfleisch und T. Grüttner – Gewalttätige Kinder – Psychoanalyse und Pädagogik in Schule, Heim und Therapie – Walter-Verlag – Resension
Das Buch „Gewalttätige Kinder – Psychoanalyse und Pädagogik in Schule, Heim und Therapie“ von Evelyn Heinemann, Udo Rauchfleisch und Tilo Grüttner, erschienen 2003 im Patmos/Walter Verlag, beschreibt sich als Praxisbuch für alle helfenden Berufe, die mit aggressiven Kindern und Jugendlichen zu tun haben. So werden an den Anfang die theoretischen Grundüberlegungen zu Aggression, Strafe und psychoanalytischer Pädagogik gestellt, um darauf in den folgenden Kapiteln aufzubauen. Die Kapitel sind schön strukturiert, sodass die im Titel genannten Bereiche „Schule, Heim und Therapie“ jeweils ihren ausführlichen, gut strukturierten Rahmen bekommen. Durch anschauliche Beispiele wird deutlich, dass das psychoanalytische Konzept im Rahmen der pädagogischen Maßnahmen bei aggressiven Kindern & Jugendlichen gute Erfolge erzielen konnte, die durch kürzere Interventionsmaßnahmen in dieser Form nicht erreicht worden wären. Bei der psychoanalytischen Unterstützung geht es um das Nachreifen des aggressiven Kindes/ Jugendlichen, der durch eine verantwortungsvolle, psychoanalytische Begleitung Struktur und Realitätsbezug erlernen kann. Schnell und stringent wird deutlich, worin diese verantwortungsvolle Betreuung besteht; Übertragung-Gegenübertragung und Reflexion gehören zusammen. Eine Teambetreuung mit klarer Rollenzuweisung in Erziehungsheimen, jedoch mit einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe gehören ebenfalls dazu, während in der Einzelbetreuung (Therapie) vor allem die ICH-Stärkung und der schrittweise erfolgende, zumutbare soziale Realitätsbezug zum Konzept gehören.
All diese Methoden und zugrundeliegenden Modelle werden während der Abhandlung erklärt, sodass es dem/er Leser:in leicht fällt zu folgen und zu verstehen.
Das Werk ist somit zugänglich für Interessent:innen, die nicht mit der psychoanalytischen Schule vertraut sind oder gar mit dem beschriebenen Berufsfeld (aggressive Kinder und Jugendliche). Es bietet jedoch auch dem/der Leser:in mit Vorkenntnissen aufschlussreiche Praxisbeispiele, die sehr lesenswert sind.
Ohne Vorkenntnisse der grundlegenden Theorien und Überlegungen der Psychoanalyse mag es dem/der Leser:in zunächst etwas schwer fallen, in die theoretischen Überlegungen über Aggression, Strafe und der Psychodynamik in Kapitel eins einzusteigen. Jedoch wird durch den sachlogischen Aufbau des Buchs und durch mehrere, ausführende Rückgriffe auf diese Überlegungen das Spektrum der Destruktivität, Dissozialität, was uns meist nur als „Aggressivität“ auffällt, wirklich erfahrbar und verständlich.
Es wird eine unbedingte Stringenz von den Autoren eingehalten, die die Aufmerksamkeit des/der Lesers/ Leserin absolut aufrecht erhält. Was mir sehr gut gefallen hat ist, dass die veranschaulichenden Fälle nicht nur die Begebenheiten schildern, sondern sowohl die Überlegungen des Autors zum damaligen Zeitpunkt/ in der Situation enthalten, als auch eine abschließende Reflexion, die das Wesentliche nochmal konzentriert. Dies ermöglicht dem Leser ein konkreteres Verständnis der psychoanalytischen Begleitung und bietet eine Möglichkeit, eine (ungewollte) Einladung, sich selbst zu hinterfragen, wie die eigene Reaktion, Gedankenmuster und insbesondere die Einstellung zu „Aggression“ ist. Das hat mir viel Aufschluss für das psychotherapeutische Arbeiten gegeben, auch wenn ich nicht primär mit aggressiven Kindern/ Jugendlichen arbeite. Es hat mir insgesamt sehr gut gefallen, sodass es ich es sehr empfehlen kann.