Gerald Hüther / Helmut Bonney – Neues vom Zappelphilipp – Walter-Verlag – Rezension

Der Hirnforscher Gerald Hüther und der Familientherapeut Helmut Bonney sind dem Thema ADS bzw. ADHS auf den Grund gegangen. Unruhige und zappelige Kinder, denen es schwerfällt, ihre Impulsivität unter Kontrolle zu bringen und sich aufmerksam auf eine Sache zu konzentrieren, gibt es nicht erst seit Heinrich Hoffmann seine Geschichte vom Zappelphilipp geschrieben hat. Es hat sich allerdings lange niemand so richtig dafür interessiert. Obwohl der eine oder andere Arzt sich schon mit Medikamenten, wie Amphetamine auseinandergesetzt hat.

Dies änderte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als die ersten Berichte über Substanzen auftauchten, die ganz erstaunliche Verbesserungen bei einigen neurologisch- psychiatrischen Erkrankungen auslösten. Nicht nur bei depressiven, schizophrenen und neurotischen Störungen wurde in den 50er und 60er Jahren alles ausprobiert, was nur irgendwie möglich und geeignet erschien. Mitte der 70er Jahre stand fest – und das gilt noch heute – Nichts wirkt so gut wie das seit Mitte der 50er Jahre unter der Bezeichnung Ritalin® eingeführte Amphetamin Methylphenidat. Dieses Amphetamin stimuliert die Freisetzung eines bestimmten Botenstoffes im Gehirn (Dopamin), welches dazu führt, dass die Verminderung der Hyperaktivität eintritt und die Aufmerksamkeit und Impulskontrolle dieser Kinder verbessert werden.

Das Problem scheint damit gelöst zu sein, da Kinder nach Einnahme des Medikaments ruhiger werden, sich besser konzentrieren können. Allerdings gibt es sehr bedenkliche Nebenwirkungen. Nach einer längeren Zeit der Einnahme, stellen sich bei den Kindern Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Schlafstörungen bis hin zu Depressionen ein.  Ritalin® ist seit 1956 auf dem Markt. Eigentlich sollte man meinen, dass die Wirkung eines Medikaments gründlich erforscht ist, bevor es zugelassen wird. Dies ist offenbar nicht der Fall.

Wie so oft bei Medikamentengabe wird hier nur das Symptom und nicht die Ursache des Problems behandelt. Dieses Kapitel im Buch über die Wirkung und Forschung des Medikaments bitte selbst nachlesen, da es nicht ganz einfach ist, das wiederzugeben.

Es gibt jedenfalls noch ein paar mehr Aspekte bei der Entstehung von ADHS. Z. B. ist auch folgender psychologischer Ansatz wichtig. Der Einfluss früher Bindungserfahrungen hat einen entscheidenden Einfluss auf die Hirnentwicklung es Kindes. Die wichtigste Erfahrung, die jedes Neugeborene während der ersten Tage und Wochen in dieser neuen Welt macht (und die seinen weiteren Entwicklungsweg entscheidend prägt), wird als Gefühl in seinem Gehirn verankert.

Das Baby verlässt die sichere Welt, des Unterleibs und ist darauf hingewiesen, dass die Mutter das schreiende Baby im Arm hält, es wiegt, an die Brust nimmt, mit ihm spricht, es beruhigt und ihm Geborgenheit gibt.

Je häufiger es diese Sicherheit und Geborgenheit im Außen findet, desto tiefer wird die Erfahrung in seinem Gehirn verankert, dass es durch eine eigene Leistung in der Lage ist, seine Angst (mit Hilfe anderer Menschen) zu bewältigen. So wächst sein Selbstvertrauen, ebenso wie sein Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Mutter, ihm Sicherheit und Geborgenheit bieten zu können. So entwickelt es eine enge emotionale Bindung.

In manchen Fällen klappt das Zusammenspiel weniger gut, und die Eltern bzw. die primären Pflegepersonen verstärken durch ihr Verhalten zu rasche und deshalb zu einseitige oder zu ängstliche und deshalb zu wenig eigenständige Entwicklungen des Kindes.

Es gibt Kinder, die mit einer besonderen Vulnerabilität auf die Welt kommen und deshalb besonders leicht dazu neigen, eine derartige Verhaltensstörung zu entwickeln. Ob es wirklich dazu kommt, hängt ebenso streitbar von den familiären und sozialen Bindungen ab, unter denen diese Kinder aufwachsen. Später reagieren sie in Kindergärten und Schule auf Einflüsse von Erziehern und Lehrern. Dies unterstreicht die hervorragende Bedeutung der Eltern und Pädagogen und weist ebenso auf die Chance jeder therapeutischen Bemü hungen hin. Frühe Erfahrungen hinterlassen besonders tiefe Spuren in der Hirnstruktur und sind entscheidend an der weiteren Nutzung des Gehirns und der Ausprägung der kindlichen Persönlichkeit beteiligt.

Diese Kinder sind immer in Bewegung und verfügen über eine gewaltige Energiereserve, mit der sie später all ihre Aktivitäten gestalten. Als Kleinkinder verhalten sie sich später unglaublich fordernd, wach, eifrig, entschlossen und an allem interessiert. Die schwierige Herausforderung an die Eltern besteht darin, all diese Verhaltenszüge nicht als Störung, sondern als Ausdruck eines besonderen Bedürfnisses oder einer besonderen Begabung zu verstehen, auch wenn sie dadurch bis an ihre Grenzen geführt werden.

Es folgen einige Fallbeispiele, in denen Eltern mit ihrem Kind überfordert sind und therapeutische Hilfe in Anspruch genommen haben. Es stellte sich in allen Fällen heraus, dass die Eltern besonders schwierige Voraussetzungen für ihre Kinder schaffen, also maßgeblich beteiligt an der Verhaltensstörung ihrer Kinder beteiligt sind. Z. B. Uneinigkeit in der Erziehung des Kindes durch Vater und Mutter. Überbehütung meist durch die Mutter z. B. nach einer schweren Erkrankung des Kindes, also keine Grenzsetzung.  Ein Vater der sich aus der Erziehung raushält, ausgeschlossen wird oder sich zurückzieht. Ein oder beide Teile sich mit dem Kind und deren Bedürfnisse zu wenig beschäftigen, weil z. B. beide Elternteile arbeiten.

In den Fällen die hier beschrieben werden, haben die Eltern eine eigene Problematik, die es nicht erlauben dem Kind und deren gesunder Entwicklung seinen Teil beizusteuern. Haben die Eltern bzw. der Elternteil ihre Situation zum positiven hin verändert, veränderte sich gleichzeitig die Situation des Kindes.Denn das vermeintlich „gestörte Verhalten“ des Kindes spiegelt lediglich eine Störung in der Familie selbst wieder. Das Kind benötigt die Zusammenarbeit mit den Eltern. Kein Medikament der Welt kann dies bewirken.

Wenn also die Störungsquellen frühzeitig erkannt und abgestellt werden, kann sich der weitere Entwicklungsprozess und damit das Verhalten des Kindes rasch wieder normalisieren.

Der erste Teil des Buches ist nicht so leicht zu lesen, da sehr viele Fachbegriffe gewählt wurden. Hier wird auch auf die Wirkweise des Medikaments Ritalin und die Forschung besonders eingegangen. Was sehr interessant ist, aber eben für Laien etwas schwierig zu lesen. Der zweite Teil beschäftigt sich mit echten Fallbeispielen und Lösungsansätzen, was mir besonders gefallen hat.

Hier noch zu bemerken, dass das Buch von 2004 ist und es sicherlich mittlerweile nocheinige Veränderungen im Umgang mit dem Thema geben wird.

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